Ich träume, also kann ich.

Wenn der Lebensstil zur Therapie wird: Klarträumen als Problemlösung

Man kann sich nie sicher sein, dass man wach ist. Man kann sich nur sicher sein, dass man träumt.

Vorweg: Dieser Artikel ist in ähnlicher Form auf CogniFit erschienen, wurde aber zensiert. Denen als Anbieter kognitiver Trainings für MS-Kranke gefiel meine Kritik an ebendiesen nicht. Die Zeitschrift “Schlaf” hat den Artikel ebenfalls in dieser Form abgelehnt, weil zu “unwissenschaftlich”. Ich will mir die Mühe nicht umsonst gemacht haben, und hier die unzensierte Originalversion wiedergeben.

  1. Klarträumen (lucid dreaming) – was ist das?

Ein Klartraum (lucid dream) ist ein Traum, in dem man weiß, dass man gerade träumt. Diese Erkenntnis kann man nutzen, um den Trauminhalt zu beeinflussen und den Traum nach seinen Wünschen zu gestalten. Träume, was du träumen willst! Im Klartraum kann man fliegen, durch Wände gehen oder Gegenstände telekinetisch bewegen – abseits von physikalischen und sozialen Gesetzeszwängen kann man alles tun, was man sich vorstellen kann. Die Klarheit darüber, dass man träumt, ist dabei ein Kontinuum und nicht etwa an oder aus, sondern man kann während man träumt genauso fast klar sein (präluzid) wie richtig trüb (unwissend) und völlig klar (hellwach) sowie alles dazwischen. Klarheit ist dabei zu unterscheiden von Kontrolle. Beides hängt miteinander zusammen, aber es ist möglich, völlig klar zu sein und überhaupt keine Kontrolle (Macht) über den Trauminhalt zu haben als auch völlig trüb zu sein und trotzdem in der Lage, die Traumumgebung zu beeinflussen. Klarträumer nennen sich auch Oneironauten, von griechisch „oneiros“= Traum und „nautes“=Seefahrer, also Traumreisende übersetzt.

  1. Empirische Evidenz oder wie der Laie fragt: „Ist das wissenschaftlich bewiesen?“

Vorneweg: Man kann wissenschaftlich nichts beweisen. Das wissen (fast) alle Wissenschaftler, aber sie hängen es verständlicherweise nicht so gern an die große Glocke. Man kann nur Wahrscheinlichkeitsaussagen machen. Das können Sie in der nächsten Diskussion anbringen, wenn sich mal wieder jemand hinstellt und behauptet XY wäre doch aber wissenschaftlich bewiesen. Sollte das nicht helfen, habe ich hier eine zweite Keule für Sie: wissenschaftliche Aussagen sind i m m e r falsch, wenn nur genügend Zeit ins Land geht. Das ist ja das Gute an der Wissenschaft: sie entwickelt sich und stellt sich bestenfalls selbst in Frage und auf den Kopf. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, wie sich in der FakeNews-Debatte Wissenschaftler hinstellen können und behaupten, sie könnten richtige Fakten liefern – das ist eindeutig gelogen. Ich vermute hinter der FakeNews-Debatte das Ziel, Zensur flächendeckend einzuführen, denn wie gesagt: Fakten gibt es nicht. Aus der Tatsache, dass die Sonne Zeit unseres Lebens morgens aufgegangen ist, können wir nicht schließen, dass sie das morgen auch tut. Wir können uns nur mehr oder weniger sicher sein.

Aber nun zur Frage, was die Wissenschaft zum Klarträumen sagt. Lange Zeit galt in der Wissenschaft und insbesondere in der Schlafforschung luzides Träumen als Mythos und Legende. Es wurde als esoterisch abgetan und nicht beachtet. Einige Wissenschaftler wie Keith Hearn und Stephen LaBerge wussten es aus eigener Erfahrung besser. Aber wie sollten sie „beweisen“, dass Klarträume existieren? Es brauchte einen Pionier-Oneironauten, der ein Signal aus der Traumwelt in die Wachwelt senden würde – und genau das setzten beide um: Ende der 70er Jahre (Keith Hearn) und Anfang der 80er (Stephen LaBerge) wurde der „Beweis“ erbracht – ein Oneironaut funkte zum ersten Mal Signale aus der Traumwelt in die Wachwelt. Wie war das möglich? Während der REM-Phase (rapid eye movement – Phase), in der für gewöhnlich die lebhaftesten und buntesten Träume auftreten, ist die gesamte Muskulatur bei gesunden Menschen gelähmt – die gesamte Muskulatur außer der Atem- und der Augenmuskulatur. (Das soll wahrscheinlich verhindern, dass die Traumbewegungen in real ausagiert werden). Die Augen springen in dieser Phase oft wild umher, so wie im Wachleben auch, wenn Menschen die Umgebung abscannen. Normalerweise folgen diese Augenbewegungen keinem Muster. Diese REM-Phase wurde mithilfe des von Berger 1929 entwickelten EEGs von Aserinsky und Kleitman 1953 entdeckt. Man war also in der Lage, einigermaßen genau und verbindlich festzustellen, ob jemand schlief und träumte, wenn man ihn an ein EEG anschloss. Zumindest glaubte man das. Eine der ersten Erkenntnisse meiner persönlichen Forscherkarriere ist, dass man mit einem EEG bzw. einem PSG (Polysomnographie-Gerät) nicht valide die REM-Phasen detektieren kann, zumindest ich – und ich behaupte, viele andere – sind in der Lage REM-Phasen zu faken. Das wusste man damals aber nicht. Also machten sich Hearn und LaBerge diesen Umstand zu Nutze und trugen ihren Oneironauten auf, sobald sie klar werden würden, die Augen rhythmisch von links nach rechts und wieder zurück zu bewegen. Diese im EEG (und im EOG) erkennbaren Muster (LRLR) gab es vorher nicht. Somit war das Signal gesendet und das Klarträumen „bewiesen.“ Trotzdem wollte die Fachwelt davon nichts wissen. LaBerge hatte damit zu kämpfen, dass seine Erkenntnisse publiziert wurden. Aber letztlich wurden sie. Und dann kam in Deutschland der legendäre Paul Tholey, hier zu sehen in einem der seltenen Fernsehauftritte, der leider 1998 unter mysteriösen Umständen verstarb. Er lernte seinerzeit an der Uni, dass Träume immer schwarz-weiß wären. Das glaubte er nicht und brachte sich selbst das Klarträumen bei, um (für sich selbst) den Gegenbeweis anzutreten. Heute weiß man, dass die Nachkriegsgeneration oft in schwarz-weiß träumt, wahrscheinlich, weil diese Generation das Fernsehen in der Kindheit so erlebte. Der Professor von Tholey war offensichtlich einer dieser Schwarzweißträumer und schlussfolgerte von sich auf alle Menschen.

Kaleb Utrecht, der Co-Autor des populärwissenschaftlichen Buches von Paul Tholey „Schöpferisch Träumen“, behauptet, weder Hearn noch LaBerge hätten zuerst die Idee der Versuchsanordnung gehabt, mit der ein Oneironaut ein Signal aus der Traumwelt senden kann, sondern Paul Tholey. 1975 habe er in der Zeitschrift „Gestaltheory“ diese Versuchsanordnung angeregt.

Paul Tholey entwickelte strenge Klarheitskriterien. Ich muss gestehen, dass ich wahrscheinlich noch keinen einzigen Klartraum hatte, auf den alle diese Kriterien gleichzeitig zutrafen. Die Kriterien sind:

  1. Der Träumer ist sich darüber im Klaren, dass er träumt.
  2. Der Träumer ist sich über seine Entscheidungsfreiheit im Klaren.
  3. Das Bewusstsein ist klar, es gibt keine traumtypische Verwirrung oder Bewusstseinstrübungen.
  4. Die Wahrnehmung der fünf Sinne ist wie im Wachzustand.
  5. Es besteht Klarheit über das Wachleben, also darüber, wer man ist oder was man sich für den Klartraum vorgenommen hat.
  6. Nach dem Traum gibt es eine klare Erinnerung.
  7. Der Träumer ist sich über den Sinn des Traums im Klaren.

Vor allem Punkt 3 und Punkt 7 sind meines Erachtens nur schwer zu erfüllen. Ich stelle mir das Klartraumbewusstsein wie eine farbige Brille vor. Wenn das Wachbewusstsein eine Sonnenbrille wäre, die die Farbe Gelb hätte, und das Traumbewusstsein eine Sonnenbrille mit der Farbe Blau wäre, dann stelle ich mir vor, das Klartraubewusstsein wäre eine Mischung: also grün, weil sich Wachbewusstsein und Traumbewusstsein übereinander schieben. Nach diesem Modell wäre es unmöglich, Tholeys Punkt 3 (keine traumtypische Verwirrung oder Bewusstseinstrübung) überhaupt zu erreichen.

Heute weiß man dank fMRT-Studien, dass im Klartraum Teile des präfrontalen Kortexes zugeschaltet werden, gleichsam einer Kamera, die das Geschehen filmt (siehe Bild).

Elisa Filevich und ihr Team fanden außerdem heraus, dass bei Klarträumern das Brodmannareal 10 im präfrontalen Kortex vergrößert ist. Das Brodmannareal 10 macht man für Metakognition (also das Denken über das Denken) verantwortlich. Es ist allgemeiner Konsens, dass, wenn das Bewusstsein irgendwo lokalisiert ist im Gehirn, das wohl im Kortex sein muss, dem evolutionsbiologisch jüngsten Teil des Gehirns. Vor allem der präfrontale Kortex (hinter der Stirn) ist da ein heiß gehandelter Kandidat.

Heute arbeiten brillante Wissenschaftler an der weiteren Erforschung des Klarträumens, die noch in den Kinderschuhen steckt – zum Beispiel Martin Dresler in Nijmegen, Daniel Erlacher in Bern, Melanie Schädlich in Heidelberg, Michael Schredl in Mannheim und Brigitte Holzinger in Wien.

  1. Wozu ist Klarträumen gut?
    3.1. Therapeutische Zwecke
    Mein erster Klartraum (und das ist nicht unüblich) entstand aus einem Alptraum; Geister kreisten mich ein und bedrohten mich, indem sie den Kreis immer enger zogen. In diesem Moment sprang zum ersten Mal eine Metakognition an und flüsterte mir zu: „Das hier ist zu schrecklich! Das muss ein Traum sein!“ Ich dachte mir, wenn das ein Traum ist, dann kann ich mich vielleicht daraus wecken. Ich versuchte, mit meinen Fingern meine Augenlider auseinanderzuziehen, damit ich im realen Leben meine Augen öffnen würde – und siehe da: ich wachte auf. Zu diesem Zeitpunkt war ich Vorschulkind oder gerade erst eingeschult; hätte ich gewusst, dass ich auch im Traum bleiben kann und angenehm weiterträumen kann – dann wäre ich heute ein weitaus geübterer und erfahrener Klarträumer als ich es jetzt bin. Aber diese wertvolle Information erhielt ich erst im Jahr 2013, im Alter von 37 Jahren. Wenn Sie jünger sind und das hier lesen, können Sie sich freuen, dass Sie die frohe Botschaft früher erfahren. Wenn Sie älter sind, machen Sie sich keine Sorgen: es ist selten zu früh und nie zu spät! Ich denke nicht, dass das Alter irgendeine einschränkende Funktion hat, das Klarträumen zu erlernen. Gut, man lernt generell schneller, wenn man jung ist – das will ich nicht abstreiten, aber das Alter sollte nicht als Ausrede herhalten müssen, diese wunderbare Möglichkeit an sich vorbeiziehen zu lassen. Meine Oma hat immer gesagt: „Ich bin alt wie eine Kuh und lerne immer noch dazu!“

Nach der überaus wirksamen Bekämpfung von Alpträumen (meine kindlichen Alpträume verschwanden damals buchstäblich über Nacht), könnte man das luzide Träumen auch therapeutisch bei der sogenannten PTBS (posttraumatischen Belastungsstörung) einsetzen. Darüber liegen leider noch keine Studien vor und es ist Vorsicht geboten – eine Retraumatisierung sollte natürlich beim Einsatz des Klarträumens vermieden werden. Thomas Mäder forscht in Zürich an der Möglichkeit der Traumintervention bei PTSD und es sieht vielversprechend aus. Leider sind die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht.

Und zu guter letzt verspricht das Klarträumen endlich eine wirksame psychologische Intervention bei Schizophrenie zu sein. Darüber existieren auch noch keine Studien, aber der Schluss liegt nahe, dass bei Schulung der Metakognition auch die Einsicht in Wahnzustände verbessert werden kann. Außerdem legen fMRT-Studien nahe, dass das Zusammenspiel dreier Netzwerke im Gehirn durch das Klartraumtraining verändert und damit auch verbessert werden kann. Das ist zum einen das Ruhezustandsnetzwerk (default mode network), das beim Tagträumen aktiviert ist. Ich vermute ganz stark, dass es auch beim Kiffen („Filme schieben“) sowie bei schizophrenen Wahnzuständen aktiviert wird. Das “dorsal attention network“ ist sozusagen der Gegenspieler und wird aktiviert, wenn das Gehirn extern zugeführte Reize und Aufgaben verarbeiten muss. Das „frontoparietal(e) control system“ ist das dritte Netzwerk im Bunde, das die Aktivität der anderen beiden Netzwerke steuert. Scannerbefunde führen zu der Vermutung, dass Klarträumen das Zusammenspiel dieser Netzwerke positiv beeinflussen kann.

Wie gesagt: bis jetzt sind das alles nur unbestätigte Hypothesen basierend auf der Annahme, dass Psychosen und Träume ähnliche neurophysiologische Korrelate haben und dass eine Psychose quasi ein „fehlgeleiteter“ Traum im Wachzustand ist, aber ich halte diesen Ansatz für sehr vielversprechend und träume davon, ihn in Zukunft in meiner wissenschaftlichen Karriere zu verfolgen und letztendlich den „Beweis“ zu liefern, dass endlich ein Heilmittel gegen Schizophrenie gefunden worden ist.

Es gibt im Netz viele Scharlatane; sehr weit verbreitet sind zum Beispiel sogenannte kognitive Trainings; das sind kleine Spiele oder Denk-, Merk- oder Rechenaufgaben, die das Gehirn trainieren sollen und so einen positiven Effekt auf die brainpower oder sogar das Wohlbefinden haben sollen. Dabei ist längst erforscht, dass kognitive Trainings keinen Ausstrahleffekt auf andere Bereiche haben; es ist wie wenn man Intelligenztests übt, dann besser abschneidet und dann behauptet, intelligenter zu sein – ist man aber nicht, sondern nur geübter in Intelligenztests.

Wahre Verbesserung der brainpower, des allgemeinen geistigen Wohlbefindens und der seelischen Gesundheit erreicht man eher durch Sport. Das ist eine Lektion, die ich nur schwerlich erlernt habe. Früher war ich ein ausgeprägter Sporthasser. Mein Vater ist leidenschaftlicher Sportler und ließ mich ständig sein Bedauern über meine Unsportlichkeit spüren. Außerdem lernte ich in der Schule, dass Sport ein Propagandamittel der Faschisten war und ich sah, dass er wieder ein Propagandamittel der Kommunisten ist. Also wuchs meine Abneigung gegen Sport. Heute gehe ich regelmäßig Joggen und kann nur bestätigen, dass das beim Lernen überaus hilfreich ist. Also wenn man seine Gehirnleistung verbessern möchte – und dazu gibt es eine Fülle von Studien – dann ist Sport (vor allem Ausdauersport) ein viel adäquateres Mittel als irgendwelche kognitiven Trainings. Wenn man eine geistige Übung sucht, um die Gehirnleistung und das Wohlbefinden zu verbessern, dann ist Meditation die richtige Wahl. Ideal ist Yoga, weil es Sport und Meditation verbindet. Durch Yoga hat sich meine Gelassenheit, Grundzufriedenheit und Ruhe, meine Stressresilienz und mein allgemeines Wohlbefinden extrem gesteigert.

Luzides Träumen hat (noch extremere) Auswirkungen auf Selbstwirksamkeitserwartung, Wohlbefinden, Verbindung zur Intuition, Achtsamkeit und Metakognition – es dauert nur länger, bis diese eintreten, dafür erhält man diese dann aber geballt und nicht so allmählich wie beim Yoga.

Fazit: Sport, Yoga, luzides Träumen – das alles sind mühsame Tätigkeiten, die viel Überwindung des inneren Schweinehundes erfordern. Das erzeugt kognitive Dissonanz, die wiederum Kognitionen erzeugt wie: „Das ist alles nicht wirksam, nicht für mich, viel zu anstrengend, mache ich irgendwann mal, wenn ich Zeit und Muße habe.“ Oder „Ich bin zu alt, zu ungeeignet, zu irgendwas.“

Warum sonst wird Sporttherapie in allen Psychiatrien angeboten, kognitives Training aber nur vereinzelt? Das hat einen Grund. Und die Patienten sind oft nicht motiviert, sich in der Sporttherapie anzustrengen – davon können die Therapeuten und das Klinikpersonal ein Lied singen. Dabei ist es die Interventionsmethode mit der größten Effektstärke und mit dem besten Aufwand-Nutzen-Verhältnis.

3.2. Nicht-klinische Anwendungen
Luzides Träumen hat viele andere Auswirkungen. Man kann im Traum Sportarten und Bewegungsabläufe trainieren und es hat einen positiven Effekt auf den Gleichgewichtssinn. Man kann Instrumente schneller lernen. Man kann seine Kreativität steigern. Klarträumen kann beim Problemlösen helfen. Es steigert die Selbstwirksamkeit und das Wohlbefinden. Wenn Traumyogis und Buddhisten sagen, die Wirklichkeit wäre ein Traum, dann meinen sie, so denke ich, diese Selbstwirksamkeit und die Plastizität der Realität. Die Wirklichkeit ist plastischer und damit traumähnlicher als wir denken.

3.3. Bewusstseinsforschung

Das Bewusstsein ist ein Mysterium. Klartraumforschung könnte helfen, dieses Mysterium wenigstens teilweise aufzuhellen. Der Begriff Bewusstsein wird meines Erachtens mehrdeutig verwendet. Wenn wir etwas als bewusst bezeichnen, können wir intensiv, metakognitiv, absichtlich, aufmerksam und mit sich selbst identifizierend oder reflexiv meinen oder alles zusammen. In der Psychologie galt lange Zeit alles als bewusst, was verbalisierbar war und dementsprechend war ein notwendiges aber nicht hinreichendes Merkmal des Unbewussten die Unaussprechlichkeit. In der aktuellen Bewusstseinsforschung teilt man das Bewusstsein ein in „basal“ und „higher-order“. Zum basalen oder primären Bewusstsein gehören zum Beispiel Wahrnehmungen und Emotionen, wie sie im normalen Trübtraum auftreten. Higher-order Bewusstsein wie Metakognition und Traumeinsicht (bzw. die Einsicht in den aktuellen Bewusstseinszustand) treten im luziden Traum und im Wachbewusstsein bei Menschen auf.

Das Klarträumen fasziniert mich so, dass ich „Oneironaut“ beim Finanzamt als Beruf angegeben habe. Daraus entwickelte sich ein immer noch anhaltender Streit, der hier dokumentiert ist

  1. Wie lerne ich Klarträumen? 4 Schritte zum ersten Klartraum
    Schritt 1: Ein Muss für jeden Oneironauten ist das Traumtagebuch. Damit fängt alles an und damit hört es auf, wenn man es vernachlässigt. Nehmen Sie Stift und Schreibblock und legen Sie beide neben ihr Bett, um der „Traumlöschfunktion“, wie ich sie nenne, zuvorzukommen. Alternativ können Sie die Träume in ein Diktiergerät oder eine entsprechende App sprechen, Hauptsache, sie zeichnen Sie irgendwie auf. Das übt die Traumerinnerung und fördert die Erinnerung an das Traumbewusstsein und wie es sich „anfühlt“.
    Schritt 2: Setzen Sie sogenannte Wachposten, heißt, trainieren Sie das prospektive Gedächtnis. Das prospektive Gedächtnis ist das Gedächtnis, das auf die Zukunft ausgerichtet ist. Autosuggerieren Sie sich, aufzuwachen sobald Sie geträumt haben, nehmen Sie sich vor, sich an Ihre Träume zu erinnern und natürlich: nehmen Sie sich vor, den Traum als solchen zu erkennen. Üben Sie das Setzen von Wachposten im Alltag. Nehmen Sie sich vor, das nächste Mal, wenn Sie am Punkt X vorbeikommen, sich an Y zu erinnern. Das ist ein Wachposten. Ihr Gehirn speichert das ab und wird Sie mit erhöhter Wahrscheinlichkeit wissen lassen, dass Sie und was Sie sich vorgenommen haben. Einen gut gesetzten Wachposten erkennt man daran, dass er vorher schon immer wieder auftaucht, um sich aufzufrischen, bevor der Ernstfall dann eintritt.
    Schritt 3: Machen Sie sogenannte Reality Checks (RCs). Ein RC testet, ob Sie gerade träumen. Es gibt eine Vielzahl von RCs – suchen Sie sich Ihren Liebling aus! Ich zähle gern meine Finger, denn im Traum sind es meistens mehr oder weniger als 5 – keiner weiß warum, aber es ist so. Eine andere Möglichkeit ist, sich die Nase zuzuhalten und zu versuchen, durch die geschlossene Nase zu atmen. Im Traum wird das funktionieren, weil Sie sich ja nur „virtuell“ die Nase zu halten und tatsächlich weiteratmen. Sie können etwas lesen, wegschauen und es erneut lesen. Im Traum sollte es sich verändert haben (das ist der Lieblingsrealitycheck von LaBerge). Sie können versuchen zu schweben oder den Lichtschalter betätigen. Im Traum sollte das Licht nicht angehen. (Obwohl auch schon gegenteilige Erfahrungen berichtet wurden.) Oder fragen Sie sich, wo Sie vor Kurzem waren – im Traum fehlt Ihnen diese Erinnerung.
    Schritt 4: Unterbrechen Sie Ihren Schlaf (sogenanntes Wake-back-to-Bed (WBTB)). Schlafunterbrechungen führen nachweislich zum vermehrten Klarträumen. Aber achten Sie darauf, mindestens einmal pro Nacht mindestens 4 Stunden zu schlafen, weil sonst ein Wachstumshormon nicht ausgeschüttet werden kann, was unter anderem für den Knochenerhalt wichtig ist. (Ich darf dessen Namen hier nicht nennen, weil google sonst diese Seite nicht bewirbt.) Kombinieren Sie diese Methode mit Schritt 2, nehmen Sie sich vor, nach einem Traum aufzuwachen. Gelingt dies, schreiben Sie ihn auf und dann tun Sie Folgendes: Legen Sie sich wieder ins Bett und versuchen, möglichst lange bewusst zu bleiben. Bewegen Sie sich nicht. Nach einiger Zeit sollten Lichtblitze vor Ihrem inneren Auge entstehen. Beobachten Sie diese. Sie werden zu Mustern, werden bunt und plastischer (sogenannte Hypnagogien) und wenn Sie Glück haben, können Sie auf diese Weise den gesamten Einschlafprozess bis in den Traum hinein bewusst verfolgen. Irgendwann in diesem Prozess setzt die Schlafparalyse ein, heißt, Sie spüren, dass Ihre Muskeln völlig erschlaffen. Kann sein, dass es sich wie ein Fallen oder wie ein Sog in den Traum anfühlt. Dann haben Sie es geschafft: Gratulation zu einem erfolgreichem WILD (wake-induced-lucid-dream)! Aber seien Sie nicht enttäuscht, wenn es nicht klappt. Kein WILD-Versuch ist umsonst, denn er steigert die Wahrscheinlichkeit enorm, dass Sie später im Traum bewusst werden.

Schließen Sie sich der community an: es gibt ein deutsches Klartraumforum. (http://www.klartraumforum.de)
Dort können Sie sich auch einen Mentor suchen, der Ihr Training anleitet und begleitet. Lesen Sie mehr über das Phänomen im Wiki:
(https://www.klartraum-wiki.de/wiki/Hauptseite)

Zusammenfassung/Fazit
Die meisten Menschen haben schon mal erlebt, dass es möglich ist, im Traum zu wissen, dass man träumt. Einige wenige können sich diesen Zustand gar nicht vorstellen, andere – noch wenigere – kennen gar nichts anderes. Aber: Klarträumen kann man trainieren. Die Menschen, die sich diesem Hobby verschrieben haben, nennt man auch Oneironauten (griechisch von: oneiros = Traum und nautēs = Seefahrer) also übersetzt: Traumreisende.

Ein Klartraumtraining kann in vielerlei Hinsicht sinnvoll sein; am offensichtlichsten – und auch schon erforscht – ist der Einsatz gegen Alpträume. Niemand muss unter Alpträumen leiden – das ist eine frohe Botschaft, die gar nicht so bekannt ist, wie man annehmen würde. Außerdem hat das Max-Planck-Institut in Berlin mithilfe von fMRT-Studien herausgefunden, dass Hirnareale im präfrontalen Cortex, die für Metakognition zuständig scheinen, bei Klarträumern vergrößert sind. Metakognition ist das Denken über das Denken (und Fühlen) und erinnert stark an den Begriff der Achtsamkeit. Und Achtsamkeit ist bekanntermaßen ein adäquates Mittel bei psychischen Problemen oder generell bei der Lebensbewältigung.

Ein Klartraumtraining erfordert einigen zeitlichen Aufwand, Anstrengung und Willenskraft, aber eines soll hier nicht unerwähnt blieben: es macht auch einen heiden Spaß. Besonders wenn sich erste Erfolge einstellen, berichten viele von euphorischen Erlebnissen und ungeheurer Motivation und Energie über das nächtliche Erlebnis hinaus, die über Stunden bis Tage anhalten. Stellen Sie sich vor, wie es sein wird, über das Donautal zu fliegen einfach kraft Ihres Bewusstseins und Ihres Willens. Wie wird es sich körperlich anfühlen, das erste Mal durch eine Wand zu gehen? Wie fühlt es sich an, das Geschlecht zu wechseln? Oder als Tiger durch den Urwald zu streifen und von Fels zu Fels zu springen? All das und viel mehr – im Prinzip alles, was Sie sich vorstellen können – wird möglich sein.

Zu guter letzt:

In den letzten 4 Monaten habe ich am Donders Institut für Brain, Cognition, Behavior and Cognitive Neuroimaging in Nijmegen (Niederlande) ein Forschungspraktikum absolviert. Dort habe ich nicht nur herausgefunden, dass man REM faken kann, sondern auch, dass der Leichtschlaf, genannt N2 oder S2, gekennzeichnet vor allem durch Schlafspindeln und K-Komplexe, nicht valide (heißt, verbindlich) mit dem PSG (also auch EEG) detektierbar ist (zumindest bei mir). Die wichtigste Erkenntnis brachte mir aber Peter, der Lebensgefährte einer am Institut angestellten Wissenschaftlerin: wir verbieten uns zu träumen. Peter wollte das Klarträumen lernen und ich fragte nach 5 Wünschen an einen imaginären Dschinn. Er wusste keine oder nicht viele und die, die er aufzählte waren Vorsätze, keine Wünsche. Wir haben Angst, uns Weltfrieden zu wünschen, weil wir Angst haben, enttäuscht zu werden. Aber wie wollen wir Weltfrieden erreichen, wenn wir uns verbieten davon zu träumen? Klar können wir enttäuscht werden – das ist ja das Tolle! Das ist das Salz in der Suppe des Lebens! Stellen Sie sich vor, alles, was Sie sich wünschen würde augenblicklich in Erfüllung gehen. Nach spätestens 2 Minuten wären Sie gelangweilt oder/und verängstigt – eins von beidem. Allmacht ist nichts, was man sich wünschen sollte; ganz einfach, weil sie ein Fluch wäre…

Zum Glück können wir scheitern. Nicht alles, wovon wir träumen, was wir uns wünschen, wird wahr. Zum Glück. Nur lässt uns die Angst vor der Enttäuschung und die Verantwortung uns selbst und anderen gegenüber lieber gar nicht erst wünschen und träumen. Das ist krank. Daran leidet die Welt. Wünsch dir was!

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